Die Autorin und Publizistin Carolin Emcke wird für ihr Werk mit dem Kasseler Bürgerpreis «Das Glas der Vernunft» ausgezeichnet. Emcke habe sich in ihren Büchern, Essays und Reportagen den Fragen von Gewalt und Entrechtung zugewandt, teilte die Gesellschaft der Freunde und Förderer des Bürgerpreises am Donnerstag in Kassel mit. «Sie sucht nach einer Sprache, die Hass und Gewalt etwas entgegensetzen kann, die Raum für Verständigung und Anerkennung öffnet», sagte demnach Wilfried Sommer, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Preises. Ihre Texte seien voller analytischer Kraft und besonnen zugleich. Die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung wird der 56-Jährigen im September in Kassel verliehen.
Emcke, die als Kriegsreporterin, Essayistin und literarische Philosophin bekannt ist, appelliere an jede Einzelne und jeden Einzelnen, Empathie und Vernunft zu verbinden, führte Sommer aus. Für die promovierte Philosophin sei Zeugenschaft von Krieg und Gewalt nie nur bloße Wahrheitsfindung, sondern immer auch verbunden mit dem Versuch, den Opfern von Gewalt ein Gegenüber zu sein, das sie wieder als Menschen anerkenne.
Die Findungskommission des Preises habe sehr bewegt, in welchem Maße die demokratische Gesellschaft derzeit auf dem Spiel stehe, so Sommer. Emcke plädiere für eine Gesellschaft, «in der wir uns nicht ähnlich sein müssen, in der wir verschieden sein dürfen, ohne uns die Menschlichkeit abzusprechen». Sie weise aber auch aus, wie es gelingen könne, Hass und Gewalt als Unrecht aufzudecken und Strukturen zu erkennen, die Menschenverachtung schüren. Emcke werde dafür geehrt, «wie sie mit analytischer Klarheit das Rückgrat der Demokratie stärkt und als Künstlerin des Innehaltens der Empathie ihren Raum gibt». Sie zeige, wie die Ideale der Aufklärung in Zeiten multipler Krisen tragfähig blieben.
«Das Glas der Vernunft» wurde 1990 von Kasseler Bürgern als Auszeichnung gestiftet. Vergeben wird sie an Menschen, die sich in besonderem Maße um Aufklärung, Vernunft und Toleranz verdient gemacht haben. Zu den Preisträgern gehören unter anderem der Whistleblower Edward Snowden, der frühere Bundespräsident Joachim Gauck sowie die Fernsehjournalistin Natalie Amiri.