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Schließung der Haasenburg-Einrichtungen rechtswidrig

Nach Misshandlungsvorwürfen von Jugendlichen in den Brandenburger Heimen des Betreibers Haasenburg schließt das zuständige Ministerium Ende 2013 die Einrichtungen. Zehn Jahre später klagt der Betreiber gegen den Entzug der Betriebserlaubnis - vorerst mit Erfolg.
Verhandlung Klageverfahren der «Haasenburg GmbH»
Richter vom Verwaltungsgericht beginnen mit der Verhandlung zum Klageverfahren der Haasenburg GmbH. © Patrick Pleul/dpa

Regungslos verfolgen Renzo und Dominik im Verhandlungsraum des Verwaltungsgerichts Cottbus die Ausführungen des Richters. Sie sind als Zuschauer aus Bremen und Rüdersdorf bei Berlin angereist, in der Hoffnung, dass ihre Leidensgeschichte in den Jugendeinrichtungen der Haasenburg GmbH an diesem Donnerstag im Gerichtssaal ein Ende findet. Doch sie werden enttäuscht.

Entscheidung des Gerichts: Schließung rechtswidrig

Die 8. Kammer des Gerichts hat am Donnerstag entschieden, dass die Schließung von drei Jugendheimen des Betreibers Haasenburg GmbH durch das Brandenburger Jugendministerium im Dezember 2013 rechtswidrig war. Sie gab damit einer Klage des Betreibers gegen den Entzug der Betriebserlaubnis statt. Eine Berufung ließ das Gericht nicht zu. Damit ist es für das Jugendministerium schwer, den Fall von der nächsthöheren Instanz bewerten zu lassen. Dafür müsste es zunächst die Zulassung einer Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) erstreiten.

Was führte zur Schließung der Heime im Jahr 2013?

Das Jugendministerium hatte den Entzug der Betriebserlaubnis im Dezember 2013 angewiesen. Zuvor waren innerhalb einiger Jahre immer wieder Vorwürfe erhoben worden, dass Bewohner in den Heimen von Erziehern drangsaliert und gedemütigt worden seien. Auch von schwerstem Missbrauch war die Rede. Es gab Suizidversuche von Bewohnern. Mehrfach wurden Behördenauflagen für die Einrichtung erteilt. Zum Jahresende 2013 kam es dann zur Schließung der drei Haasenburg-Heime im Unterspreewald, Müncheberg und am Schwielochsee, in denen Jugendliche aus ganz Deutschland untergebracht waren. Die Vorfälle sorgten über die Landesgrenze hinweg für Schlagzeilen.

Gericht sieht keine Tatsachen für Gefährdung von Kindeswohl

Das Gericht begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass sich nicht habe feststellen lassen, dass das Wohl der Kinder und Jugendlichen in den Einrichtungen der Haasenburg GmbH gefährdet gewesen sei. Zudem sei auch nicht feststellbar gewesen, dass die Einrichtungen nicht bereit oder in der Lage gewesen seien, eine - unterstellte - Gefährdung abzuwenden.

Zu Beginn der mündlichen Verhandlung erklärte der Vorsitzende Richter Thomas Hempen, das Gericht habe nur den Zeitraum im zweiten Quartal 2013 betrachten können. Entscheidend sei im Wesentlichen die neue Betriebserlaubnis für alle drei Einrichtungen im März 2013 gewesen. Seitdem seien keine Vorfälle dazugekommen. Der Mindeststandard an Personal sei zu diesem Zeitpunkt gewahrt gewesen. Vorfälle aus den Jahren 2005 oder 2010 seien nicht mehr verwertbar, so der Richter.

Renzo hat Missbrauch und Gewalt erlebt

Renzo Rafael Martinez war einer der ersten, die in einer Haasenburg-Einrichtung untergebracht war. Mit 13 Jahren kam er 2003 für zwei Jahre nach Neuendorf am See. Er hat Demütigung und Missbrauch erlebt. Mehrere Tage sei er in einem Bett fixiert worden, erzählt der heute 33-Jährige der dpa. «Schwerste körperliche und seelische Gewalt haben wir, glaube ich, alle erfahren - in einem totalitären System». Er habe in den vergangenen Jahren viele Brüche im Lebenslauf gehabt, sei schwerst traumatisiert gewesen, habe sich nichts mehr zugetraut, beschreibt er. Momentan lasse er sich zum Programmierer ausbilden - ein Erfolg nach langer Leidenszeit.

Betroffene gründen Interessengemeinschaft

Mit anderen etwa 90 ehemaligen Heim-Insassen hat Renzo eine Interessengemeinschaft gegründet und kämpft für eine Entschädigung. Er habe einen guten Einblick, wie groß die Traumatisierung bei den anderen Betroffenen sei, berichtet er. Nach gemeldeten Vorfällen hätten Jugendamt und Ministerium nicht ausreichend reagiert. «Nun hat der Rechtsstaat eine letzte Möglichkeit, den Opfern etwas Gutes zu tun und zu sagen, ihr habt genug gelitten.»

Dominik steht etwas verloren auf dem langen Gang im Gerichtsgebäude. «Für mich ist es extrem wichtig, hier zu sein», sagt der 25-Jährige leise. Mit einer endgültigen Schließung der Einrichtungen würde eine Last von ihm abfallen. 2011 kam er mit 13 Jahren für zwei Jahre in eine Haasenburg- Einrichtung. Er habe sexuellen Missbrauch und Demütigung erlebt, erzählt Dominik. Heute versuche er, mit seiner Drogenabhängigkeit zurecht zu kommen. «Ich habe kein Vertrauen mehr in Ärzte und Psychologen, die haben mir in der Einrichtung auch nicht geholfen.» Er sei heute ein verschlossener Mensch, für seine Freunde sei es oft schwer, ihn zu verstehen, beschreibt er.

Anwalt des Ministeriums: Es geht um Kinderrechte

Der Anwalt des Jugendministeriums, Thomas Mörsberger, zeigt sich überrascht von der Entscheidung des Gerichts. Der Betrachtung von Personal, Gesamteinrichtung und Zuverlässigkeit zum Schutz der Betroffenen sei nicht genügend Interesse entgegengebracht worden, kritisiert er. Das Gericht habe «relativ formalistisch» entschieden. Es gehe aber um Kinder, die einen besonderen Schutz brauchen. «Die Frage ist: Wie kann das wirklich umgesetzt werden?

Bildungsminister bedauert Gerichtsentscheidung

Jugendminister Steffen Freiberg findet die Entscheidung des Gerichts bedauerlich: «Das Wohl der Kinder und Jugendlichen in Jugendhilfe-Einrichtungen ist und bleibt für mich und mein Ministerium die oberste Maxime», erklärt er. Das Ministerium werde die Urteilsbegründung und weitere rechtliche Schritte prüfen.

Renzo hat kein Vertrauen mehr in Rechtsstaat

Renzo hat mit solch einem Urteil gerechnet. Er habe kein Vertrauen mehr in den Rechtsstaat, sagt er. Relevant werde jetzt sein, dass der Betreiber nun finanziell entschädigt werden könnte, die Opfer aber nicht, schätzt er ein. «Das wäre ein fatales Signal und steht unserem Rechtsstaat nicht gut zu Gesicht.»

© dpa ⁄ Silke Nauschütz, dpa
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