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«Schreckensregime in Damaskus»: Prozess um Taten von Miliz

Im Auftrag der syrischen Regierung soll eine Miliz in Damaskus Zivilisten misshandelt und versklavt haben. Ein mutmaßlicher Anführer steht jetzt in Hamburg vor Gericht.
Hamburger Strafjustizgebäude
Im Hamburger Strafjustizgebäude beginnt ein Prozess. © Markus Scholz/dpa

Mit einer Geste der Fairness beginnt das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg am Freitag seinen Prozess gegen einen mutmaßlichen syrischen Kriegsverbrecher. Ihr Mandant habe sich nicht korrekt kleiden können, beklagen die Verteidiger des 47-Jährigen beim Vorsitzenden Richter Norbert Sakuth. Der Angeklagten in schlabbriger grauer Kleidung und Schlappen darf daraufhin zurück ins Untersuchungsgefängnis und sich umziehen. Der Prozess beginnt mit zweistündiger Verspätung.

In ihrer Anklage wirft die Bundesanwaltschaft dem Mann vor, in Damaskus Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen begangen zu haben. Als Anführer der regierungstreuen Shabiha-Miliz soll er sich zwischen 2012 und 2015 im Stadtteil Al-Tadamon an der Misshandlung und Versklavung von Zivilisten sowie an Plünderungen beteiligt haben. Der Syrer war nach Angaben eines Gerichtssprechers im Februar 2016 nach Deutschland eingereist und am 2. August vergangenen Jahres in Bremen festgenommen worden.

Angeklagter soll Gefangene geschlagen haben

Die Shabiha-Miliz nahm laut Bundesanwaltschaft an Checkpoints willkürlich Menschen fest, um Lösegelder zu erpressen, sie zur Zwangsarbeit zu verpflichten oder zu foltern. Im September 2013 sei ein Zivilist gefesselt und mit verbundenen Augen in ein Gefängnis gebracht worden. In einer Zelle habe ihn der Angeklagte ins Gesicht geschlagen und seine Untergebenen angewiesen, den Mann stundenlang mit Plastikrohren zu traktieren. Als er zu Boden fiel, habe einer der Milizionäre so kräftig gegen seinen Kopf getreten, dass er gegen die Wand schlug und eine blutende Platzwunde erlitt. Hintergrund der Misshandlung sei gewesen, dass der Mann Geld für Handwerkerleistungen bei der Familie des Angeklagten eingefordert hatte. 

In anderen Fällen nahm die Miliz Zivilisten gefangen und zwang sie, Sandsäcke an die Frontlinie zu schleppen. Dabei seien die Gefangenen unter Beschuss geraten. Außerdem seien sie nicht mit Wasser und Essen versorgt worden. Einen Mann habe der Angeklagte bei der Festnahme zu Boden geschlagen. Dann habe er auf den Zivilisten eingetreten, ihn an den Haaren gepackt und seinen Kopf auf den Bürgersteig gestoßen.

Angeklagter über Videoaufnahmen von Massaker-Verantwortlichem identifiziert

Die Shabiha-Miliz sollte in Zusammenarbeit mit einer Abteilung des militärischen Geheimdienstes oppositionelle Bestrebungen mit Gewalt unterdrücken. Mitglieder diese Geheimdienstabteilung töteten laut Bundesanwaltschaft im Rahmen von Massenexekutionen am 16. April und am 16. Oktober 2013 mindestens 47 Zivilisten. 

Von den Massakern existieren nach Angaben des Gerichtssprechers Videoaufnahmen, auf denen der mutmaßlich Verantwortliche zu sehen sei. Ein anderes Video zeige diesen Geheimdienstmitarbeiter zusammen mit dem Angeklagten auf einem Radlader. Die Aufnahmen hätten den Ermittlern bei der Identifizierung des 47-Jährigen geholfen. Sie belegten aber nicht, dass sich der Angeklagte selbst an den Massakern beteiligt habe.

Zeugen dürfen wegen «Schreckensregime» in Syrien anonym bleiben

Die Bundesanwaltschaft wirft dem Angeklagten in 21 Fällen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vor. Die beiden Staatsanwältinnen betonten bei der Anklageverlesung, dass alle Kampfparteien im syrischen Bürgerkrieg seit Ende 2011 schwerste Verletzungen des humanitären Völkerrechts begangen hätten.

Nach Verlesung der Anklage erklärte der 47-Jährige, er werde sich möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt zu den Vorwürfen äußern. Seine beiden Verteidiger forderten, wichtige Zeugen der Anklage müssten mit Namen und Wohnort genannt werden. Sie beantragten, andernfalls den Prozess auszusetzen. Dies lehnte der Staatsschutzsenat ab. Der syrische Militärgeheimdienst habe ein «Schreckensregime» errichtet, die Zeugen und deren Angehörige in Syrien aber auch in anderen Ländern wären bei einer Namensnennung in akuter Lebensgefahr, erklärte Sakuth.

Nicht der erste Prozess in Deutschland gegen syrische Regierungskräfte

Das Verfahren in Hamburg ist nicht der erste Prozess in Deutschland wegen Menschenrechtsverbrechen durch syrische Regierungskräfte. Anfang 2021 hatte das Oberlandesgericht Koblenz einen ehemaligen Vernehmungschef in einem Damaszener Gefängnis zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach Überzeugung des Gerichts war er für die Folterung von mindestens 4000 Menschen sowie den Tod von 27 Menschen verantwortlich. Ein mitangeklagter Geheimdienstmann war bereits im Februar 2021 wegen Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. 

© dpa
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