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Lebenslang für Mord im Regionalzug von Brokstedt

Er hat psychische Probleme, ist aber voll für den tödlichen Messerangriff im Zug bei Brokstedt verantwortlich. Ibrahim A. soll wegen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßen.
Urteil im Prozess von Brokstedt
Journalistinnen und Journalisten warten vor dem Eingang zum China Logistic Center, um in den Gerichtssaal zu gehen. © Christian Charisius/dpa

Für den grauenhaften Messerangriff mit zwei Toten und vier Schwerverletzten in einem Regionalzug im schleswig-holsteinischen Brokstedt ist ein 34 Jahre alter Mann zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Große Strafkammer des Landgerichts Itzehoe verurteilte Ibrahim A. am Mittwoch wegen Mordes und versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer und gefährlicher Körperverletzung und stellte die besondere Schwere der Schuld fest. Das heißt, der Palästinenser kann nicht mit einer Aussetzung der Strafe zur Bewährung bereits nach 15 Jahren rechnen. Der Vorsitzende Richter Johann Lohmann sprach von einer sinnlosen Tat, «die uns fassungslos und verständnislos zurücklässt».

Der Angeklagte, der als Flüchtling aus dem Gazastreifen nach Deutschland gekommen war, habe den Zweck verfolgt, «einen Amoklauf zu begehen und mehrere Menschen zu töten», sagte Lohmann. In allen Fällen liege das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe vor, in fünf der sechs Fälle Heimtücke. Ibrahim A. habe sich ungerecht behandelt gefühlt und die Taten aus Wut darüber begangen. Die Tat stelle sich als eine Art Racheakt an unbeteiligten Opfern dar, sagte Lohmann. «Was haben diese unbeteiligten Menschen mit der Misere des Angeklagten zu tun?», fragte der Richter.

Die Strafkammer folgte in ihrem Urteil der Strafforderung der Staatsanwaltschaft. Nach Überzeugung von Staatsanwältin Janina Seyfert war Ibrahim A. frustriert wegen eines erfolglosen Termins bei der Ausländerbehörde in Kiel. Er habe seine Angriffsserie am 25. Januar 2023 in dem Zug nach Hamburg völlig unvermittelt begonnen. Nach der ersten Attacke habe er sich auf der Suche nach weiteren Opfern durch den Zug bewegt. Todesopfer sind eine 17-Jährige und ihr 19 Jahre alter Freund. Der 19-Jährige hatte noch versucht, sich schützend vor seine Freundin zu stellen. Die Tat hatte für Entsetzen weit über Schleswig-Holstein hinaus gesorgt.

Nach anfänglichem Leugnen hatte Ibrahim A. die Taten zumindest teilweise eingeräumt. Seine von Verteidiger Björn Seelbach vorgetragene Version des Geschehens, nämlich, dass er von dem 19-Jährigen beleidigt und geschlagen worden sei, wies Lohmann am Mittwoch als unglaubwürdig zurück. Das sei durch mehrere übereinstimmende Zeugenaussagen eindeutig widerlegt. «Wir halten die Einlassung für falsch und frei erfunden.»

Erst wenige Tage vor der tödlichen Messerattacke war Ibrahim A. in Hamburg aus einer Untersuchungshaft wegen einer anderen Straftat entlassen worden. Während dieser Haftzeit hatte er sich wegen psychischer Auffälligkeiten 16 Mal mit einem Psychiater getroffen. Wenige Monate vor seiner Entlassung habe sich Ibrahim A. mit dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, verglichen, sagte Lohmann. Bereits damals habe er den Gedanken an einen Amoklauf in sich getragen.

In dem Prozess, der mehr als zehn Monate dauerte und bei dem fast 100 Zeugen und Sachverständige gehört wurden, ging es auch um die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten. Der psychiatrische Sachverständige Arno Deister hatte in seinem Gutachten ausgeführt, er halte den Angeklagten für voll schuldfähig. Er sehe keine Psychose. Es liege aber eine schwere posttraumatische Belastungsstörung vor. Mehrere Psychiater, die mit Ibrahim A. in der Untersuchungshaft vor und nach der Tat gesprochen hatten, hatten als Zeugen von ihrer Verdachtsdiagnose einer Psychose berichtet.

Seelbach hatte bereits früh in dem Prozess die Verlegung seines Mandanten von der Untersuchungshaft in eine Psychiatrie gefordert. Aufgrund seiner psychotischen Störungen sei er nicht schuldfähig. Für den Fall, dass das Gericht die Frage der Schuldfähigkeit anders bewerte, hatte Seelbach in seinem Plädoyer eine Gesamtstrafe von zehn Jahren wegen zweifachen Totschlags sowie vierfacher gefährlicher oder schwerer Körperverletzung gefordert. Das Gericht schloss sich den Ausführungen des Sachverständigen Deister an. «Wir halten den Angeklagten für voll schuldfähig», sagte Lohmann. Die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei nicht beeinträchtigt. Allerdings habe Ibrahim A. traumatisierende Erlebnisse in seiner Heimat Gaza gehabt. In der Haft in Deutschland habe es Retraumatisierungen gegeben.

Viele Zeugen aus dem Zug hatten während der Beweisaufnahme von dem schrecklichen Geschehen in der Bahn berichtet - von Schreien und panischer Flucht, von Verletzungen und Angst. Polizisten berichteten von einer chaotischen Situation bei ihrem Eintreffen auf dem kleinen Bahnhof Brokstedt. Manche der Betroffenen leiden nach eigenen Angaben noch immer unter den Folgen der Tat. Eines der Opfer, eine Frau, die durch zahlreiche Stiche und Schnitte im Gesicht gezeichnet war und nach der Tat unter starken Schmerzen litt, verlor nach Angaben des Richters jeden Lebensmut und nahm sich später selbst das Leben.

Der Fall Ibrahim A. beschäftigte auch mehrere Landesparlamente. Bei der Aufarbeitung kamen Fehler beim Austausch von wichtigen Informationen zwischen Behörden in Hamburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zutage, wo der Angeklagte jeweils lebte und auch Straftaten beging.

Ibrahim A. nahm die mehr als dreistündige Urteilsbegründung über weite Strecken völlig unbeteiligt zur Kenntnis. Er vermied den Blickkontakt mit den Prozessbeteiligten, wirkte zeitweise abwesend und unkonzentriert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

© dpa ⁄ Sönke Möhl und Bernhard Sprengel, dpa
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