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NS-Akten zum Raub an «Reichsfeinden» veröffentlicht

Hinter einer Auflistung von Vermögensgegenständen verbirgt sich die Enteignung vieler Juden kurz vor ihrer Deportation. Das Landesarchiv hat nun viele der historischen Dokumente online veröffentlicht.
Pressetermin zur Provenienzforschung (Herkunftsforschung)
Das Brandenburgische Landeshauptarchiv, aufgenommen anlässlich eines Pressetermins. © Bernd Settnik/dpa

Nach mehrjähriger Arbeit hat das Brandenburgische Landesarchiv mehr als 40.000 Akten der NS-Vermögensverwertungsstelle in Berlin und Brandenburg online veröffentlicht. Sie dokumentieren die Enteignung von Juden und sogenannten Reichsfeinden, die zwischen 1942 und 1945 verfolgt, ausgeplündert und in vielen Fällen deportiert und getötet wurden. Die rund 2,5 Millionen Seiten zeigen, wie die NS-Verfolgung das Vermögen erfasste und anschließend einzog. 

«Jeder kann nun selbst nachlesen, was damals geschah», sagte Dominic Strieder, wissenschaftlicher Archivar des Projektes, am Dienstag. Hinter den Verwaltungsdokumenten verstecke sich die Barbarei der Nazis. Oft seien diese Akten die letzten Zeugnisse der betroffenen Menschen, die der Nachwelt geblieben seien - ihre Unterschrift häufig das letzte auf Papier gebrachte sichtbare Lebenszeichen. Bis auf dieses blieben die meisten Menschen jedoch in den Dokumenten eher unsichtbar, so Strieder.

«Bis zur letzten Waschschüssel» habe die Finanzbehörde in Berlin den Besitz auflisten lassen und später verkauft, sagte die Leiterin der digitalen Infrastruktur am Brandenburger Landeshauptarchiv, Julia Moldenhawer. Die Akten zeigten auch, wie das Hab und Gut versteigert wurde, welche Wertgegenstände es gab und sie erzählten Geschichten von der Zerstörung von Existenzen. So sind etwa die Enteignungen einiger Berliner Persönlichkeiten, etwa von Martha Liebermann, Frau des Malers Max Liebermann sowie den Mannschaftsarzt von Hertha BSC, Hermann Horwitz und den Vater von Lyrikerin Gertrud Kolmar gut dokumentiert. Die Finanzverwaltung der Nazis listete das Vermögen von Menschen auf, die als jüdisch oder «reichsfeindlich» verfolgt, deportiert und ausgeplündert wurden.

Die Vermögensverwertungsstelle wurde 1942 in Alt-Moabit eingerichtet, erklärte Strieder. Grund waren die einsetzenden Massendeportationen Ende 1941 - die Nationalsozialisten begannen danach, die Verwertung des Vermögens der Deportierten neu zu organisieren. Etwa 200 Mitarbeiter arbeiteten bis 1945 für die Behörde. 

Die Verwertungsstellen waren regional organisiert. Etwa 600 Millionen Reichsmark seien aus der Verwertungsgesellschaft in Berlin und Brandenburg in dieser Zeit der Reichskasse zugeführt worden. Das entspricht in etwa einem heutigen Gegenwert von vier Milliarden Euro. 

Der größte Teil des eingezogenen Vermögens, dazu zählten auch Immobilien, stammte von Juden. Antisemitismus war ein Kernpunkt der NS-Ideologie. Juden wurden seit der Machtübernahme der Nazis 1933 gezielt entrechtet, ausgegrenzt und getötet. 

Strieder betonte, dass die Zivilgesellschaft Einblick in die Enteignungen hatte. Spediteure, Gebrauchtwarenhändler und andere Firmen profitierten von den Habseligkeiten und machten ihrerseits damit Geschäfte. Kriegsversehrte und Familien mit vielen Kinder erhielten oft sogar auf Anfrage den ehemaligen Besitz der Verschleppten. Die Behörde arbeitete eng mit der Gestapo zusammen. Die Gesellschaft machte sich auch so zum Komplizen des einsetzenden Holocaust.

Die Akten sind laut Strieder weiter wichtige Dokumente, um Entschädigungen geltend zu machen. «Sie haben also auch einen rechtssichernden Charakter», führte Strieder aus. Der Zugang werde vereinfacht, da viele Angehörige nicht in Deutschland lebten. Es sei ein großer Vorteil, wenn diese Akten von zu Hause aufgerufen werden könnten, betonte Strieder.

Das Landeshauptarchiv wertete seit 2020 Tausende Vermögensakten aus der NS-Zeit aus, von denen bisher nur bestimmte Daten öffentlich zur Verfügung standen. Nach mehrjähriger Bearbeitungsdauer könnten die digitalisierten Originaldokumente nun online abgerufen werden, hieß es aus dem Archiv. Somit habe das Projekt auch rechtssichernden Charakter bei etwaigen Entschädigungsverfahren, so Strieder. Die Bundesregierung fördert das Projekt. Das Landeshauptarchiv ist das zentrale staatliche Archiv des Landes Brandenburg.

© dpa
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