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Urteil: AfD zu Recht rechtsextremistischer Verdachtsfall

Seit Jahren wehrt sich die AfD gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Vor Gericht erleidet sie nun eine weitere Niederlage. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.
Urteil: AfD zu Recht rechtsextremistischer Verdachtsfall
Gericht: Die AfD wird zu Recht als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft. © Sina Schuldt/dpa

Die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ist nach einem Urteil des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts rechtens. Damit darf der Verfassungsschutz auch weiterhin nachrichtendienstliche Mittel zur Beobachtung der Partei einsetzen.

Das Gericht bestätigte in Münster ein Urteil aus der Vorinstanz. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das OVG ließ zwar keine Revision zu. Die AfD kann dagegen aber Beschwerde am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen (Az: 5 A 1216/22, 5 A 1217/22 und 5 A 1218/22).

Es gebe «hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte» für Bestrebungen der AfD, «die gegen die Menschenwürde bestimmter Personengruppen sowie gegen das Demokratieprinzip gerichtet sind», sagte Gerald Buck, Vorsitzender Richter des 5. Senats. In der AfD würden «in großem Umfang herabwürdigende Begriffe gegenüber Flüchtlingen und Muslimen verwendet». Eine solche Abwertung sei laut Grundgesetz eine «unzulässige Diskriminierung». Deshalb sei am Vorgehen der Verfassungsschützer nichts auszusetzen.

«Wehrhafte Demokratie kein zahnloser Tiger»

Die Befugnisse des Verfassungsschutzes bei der Beobachtung der AfD seien zwar «keineswegs grenzenlos», betonte Buck. Vor allem bei der Beobachtung einer besonders geschützten politischen Partei müsse der «hinreichend verdichtete Umstände» vorlegen können, dass eine Gruppierung möglicherweise gegen die freiheitliche Grundordnung arbeite.

«Die wehrhafte Demokratie ist kein zahnloser Tiger. Sie soll aufmerksam und durchsetzungsstark sein», betonte der Vorsitzende. «Aber sie beißt nur im nötigsten Fall zu und lässt sich auch nicht zu schnell provozieren.» Bei der Einstufung der AfD als extremistischer Verdachtsfall habe das Bundesamt seine Einschätzung aber ausreichend belegen können, befanden die Richter. Deshalb habe die Behörde auch die Öffentlichkeit über ihre Einschätzung zur AfD informieren dürfen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begrüßte die Entscheidung der Richter. «Das heutige Urteil zeigt, dass wir eine wehrhafte Demokratie sind.» Der deutsche Rechtsstaat habe Instrumente, um die Demokratie vor Bedrohungen von innen zu schützen. «Genau diese Instrumente werden auch eingesetzt – und sind jetzt erneut von einem unabhängigen Gericht bestätigt worden.»

AfD-Vertreter äußern Kritik am Gericht

AfD-Vizesprecher Peter Boehringer und Roman Reusch aus dem Bundesvorstand äußerten nach dem Urteil Kritik am OVG. Der 5. Senat habe zu wenig getan, um die Punkte des Verfassungsschutzes aufzuklären. Das Bundesamt sei damit nur durchgekommen, weil «sich das Gericht der Beweisaufnahme verweigert hat», sagte Reusch.  

Die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla haben nach dem Urteil des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts zur Einstufung der Partei als rechtsextremistischer Verdachtsfall das Verfahren als politisch motiviert kritisiert und eine Unabhängigkeit des Gerichts angezweifelt.

Man müsse den Zeitpunkt des Verfahrens und der Urteilsbekanntgabe berücksichtigen, sagte AfD-Chef Tino Chrupalla am Montag vor Journalisten in Berlin. «Wir befinden uns mitten im Europawahlkampf, auch das zeigt, dass hier eine politische Motivation dahintersteckt, ganz klar.» Auf die Nachfrage eines Journalisten, ob das Gericht in Münster politisch unabhängig handele, sagte Chrupalla, «wenn natürlich Beweisanträge einfach so vom Tisch gewischt werden, kann durchaus Zweifel bestehen».

Man habe in Münster eine Aneinanderreihung von Formfehlern gesehen, sagte Weidel und bemängelte die Ablehnung Hunderter Beweisanträge der AfD durch das Gericht. «Und dementsprechend ist das Urteil für uns so nicht akzeptabel, und wir werden uns die nächsten Schritte sehr genau überlegen, aber wir werden uns dann wohl in Leipzig wiedersehen.»

Weidel wiederholte ihren Vorwurf, der Verfassungsschutz sei keine unabhängige Behörde. «Hier wird eine Behörde missbraucht, um in den Parteienwettbewerb einzugreifen und die AfD strukturell zu benachteiligen. Das ist selbst verfassungswidrig und verstößt gegen unser Grundgesetz.» Chrupalla sagte, bei der AfD sei programmatisch nichts zu finden, was verfassungsfeindlich sei. Einzelmeinungen könnten nicht in Gänze der Partei zugeordnet werden.

Auschwitz Komitee: Reise mit AfD endet in Verschwörungswelt

Der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, sprach von einem wichtigen Signal. «Die Richter haben der AfD erneut einen Spiegel vorgehalten und der Öffentlichkeit noch einmal deutlich gemacht, in welch rechtsextremer Ausgrenzungs-, Verrohungs- und Verschwörungswelt die Reise mit der AfD enden wird», sagte er. Die Linke bekräftigte ihre Forderung nach einem Parteiverbot der AfD. «Ein solcher Antrag ist die Selbstverteidigung der Demokratie gegen ihre Feinde», sagte die Innenpolitikerin Martina Renner dem Nachrichtenportal T-Online.

Haldenwang sieht sich im Kurs bestärkt

Der BfV-Präsident Thomas Haldenwang sagte nach der Urteilsverkündung: «In der wehrhaften Demokratie kommt dem Verfassungsschutz eine wichtige Frühwarnfunktion bezüglich der Entwicklung von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu. Dieser Aufgabe werden wir auch künftig weiter nachkommen.»

Haldenwang sieht sich durch die Abweisung der Berufungsklage in seinem Kurs bestärkt. «Das BfV hat heute (...) auf ganzer Linie obsiegt», sagte Haldenwang in Köln. Sein Dank gehe an alle Mitarbeitenden, insbesondere auch an jene, «die wegen dieser wichtigen Arbeit aus bestimmten Kreisen öffentlich und in sozialen Medien in den vergangenen Monaten immer wieder mit Hass und Hetze überzogen wurden, denen verfassungswidriges und rechtswidriges Verhalten vorgeworfen wurde und die unerträgliche Beleidigungen aushalten mussten». Sie alle könnten sich durch das Urteil bestätigt fühlen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) warnte nach dem OVG-Urteil vor vorschnellen Rückschlüssen. «Die heutige Entscheidung ebnet aber nicht automatisch den Weg zu einem Verbotsverfahren der AfD. Ein solches sollte man nur anstrengen, wenn man sich sehr sicher sein kann, dass es auch erfolgreich wäre. Am wichtigsten und überzeugendsten bleibt es, wenn es uns als Demokraten gelingt, rechtspopulistische Parteien politisch zu bekämpfen und mit Argumenten zu entlarven», sagte Buschmann der Funke-Mediengruppe. 

Richter bestätigten Beobachtung von JA und «Flügel»

Bei dem mittlerweile aufgelösten AfD-«Flügel» hatten die Richter auch gegen die Hochstufung zur «erwiesen extremistischen Bestrebung» durch den Verfassungsschutz keine Einwände. Die Einschätzung, der Flügel richte sich gegen den Schutz der Menschenwürde von Deutschen mit Migrationshintergrund sowie Menschen islamischen Glaubens, sei gerechtfertigt, entschied der Senat.

Bei der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) ging es in dem Prozess zunächst nur um die frühere Einstufung als Verdachtsfall - dagegen hatten die Richter keine Einwände. Inzwischen hat der Verfassungsschutz die Junge Alternative aber ebenfalls zur erwiesen extremistischen Bestrebung hochgestuft - wogegen AfD und JA sich in einem noch laufenden Eilverfahren wehren.

AfD-Beobachtung durch Observationen und V-Leute möglich

Nach dem Urteil darf der Verfassungsschutz die Partei weiterhin mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten. Dazu zählen unter anderem die Observation und das Einholen von Auskünften über Informanten (V-Leute) aus der jeweiligen Szene. Ob und in welchem Umfang das Bundesamt von diesen Möglichkeiten bereits Gebrauch gemacht, ließ die Bundesregierung in einer Antwort auf eine entsprechende parlamentarische Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion offen. Das Stufenmodell des BfV sieht zuerst den Prüf-, dann den Verdachtsfall und dann die Feststellung vor, dass das zu beobachtende Objekt eine gesichert extremistische Bestrebung ist. Die AfD-Landesverbände Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt werden von den dortigen Landesämtern für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.

© dpa
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