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Toxic Positivity: Warum negative Gedanken wichtig sind

Immer positiv denken? Von wegen. Wer negative Gedanken und Gefühle dauernd beiseiteschiebt, macht es sich noch schwerer. Wie man eine gute Balance aus guten und schlechten Gedanken hinbekommt.
Eine Frau hält Schnüre vor ihr Gesicht
Wer sich persönlich entwickeln will, sollte negative Emotionen nicht unterdrücken. Sie haben nämlich eine wichtige Funktion. © Eugenio Marongiu/Westend61/Eugenio Marongiu/Westend61/dpa

«Sieh es positiv», «Konzentriere dich auf die guten Seiten», «Du musst da optimistisch rangehen»: Solche Ratschläge hat jede und jeder wahrscheinlich schon unzählige Male gehört. Wer in den sozialen Medien unterwegs ist, ist vermutlich auch schon über den Hashtag #goodvibesonly gestolpert. Er bedeutet «Nur gute Laune» beziehungsweise «Nur gute Gefühle». Für dieses überzeichnete positive Denken gibt es auch einen Begriff: Toxic Positivity. Das ist Englisch und heißt so viel wie schädliche oder giftige Positivität oder Optimismus. Warum negative Gefühle wichtig sind und übertrieben positives Denken uns eher schadet als nützt, erklären zwei Expertinnen.

Gute Gefühle gibt es viele, sagt Dorothee Salchow. Sie ist Coach in Hamburg und Dozentin der Gesellschaft für Positive Psychologie. Die zehn positiven Emotionen sind:

  • Vergnügen
  • Inspiration
  • Freude
  • Gelassenheit
  • Ehrfurcht
  • Hoffnung und Zuversicht
  • Stolz
  • Interesse an der Welt
  • Dankbarkeit
  • Liebe und Zuneigung

«Über positive Emotionen und den Umgang mit ihnen haben die meisten ein gutes Wissen», erklärt sie. Die negativen Gefühle kommen dabei oft zu kurz. «Es ist aber wichtig, die ganze Bandbreite an Gefühlen zuzulassen», sagt die Expertin. Das hat verschiedene Gründe.

Unterdrücken macht's nicht besser, sondern ...

Salchow nutzt gern ein Bild, um das zu verdeutlichen: «Wenn man die negativen Gefühle unterdrückt, gehen sie in den Keller und machen dort Krafttraining. Irgendwann kommen sie stärker zurück.» Ein anderer sehr anschaulicher Vergleich: Unterdrückte negative Gefühle sind wie ein Ball, den man unter Wasser drückt - irgendwann kommen sie mit Wucht an die Oberfläche. Wer weiter versucht, die negativen Gefühle zu unterdrücken, läuft Gefahr, dass daraus ein Teufelskreis entsteht, in dem sie immer stärker werden.

Ähnlich sieht es Prof. Astrid Schütz. Sie leitet den Lehrstuhl für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik an der Universität Bamberg. Fachleute sprechen im Zusammenhang mit Toxic Positivity auch vom Rebound- oder White-Bear-Effect. «Wenn man jemandem sagt, denk nicht an einen rosa Elefanten, wird er oder sie an nichts anderes mehr denken», erklärt sie. «So ist es auch mit den negativen Emotionen.»

Hinzu kommt: Das ständige Unterdrücken bedeutet auch ständigen Stress. «Man steht kognitiv total unter Strom. Im Extremfall kann man sich so in ein Burn-out manövrieren.» Außerdem sind unangenehme Gefühle aus einem weiteren Grund sehr wichtig: «Negatives gehört einfach dazu. Wir könnten das Positive nicht so genießen, wenn es nicht den Kontrast zum Negativen gäbe», erklärt Schütz. Aber negative Emotionen sind noch mehr als ein Gegensatz zum Schönen: «Sie geben uns wichtige Hinweise darauf, dass etwas nicht stimmt.»

Die wichtige Funktion von Wut, Angst und Co.

In der ganzen Geschichte der Evolution haben Gefühle wie Angst, Wut, Trauer, und Scham Menschen als wichtige Hinweisgeber beschützt, so Salchow. Scham schütze vor sozialem Ausschluss, Angst vor Gefahren. Wut weise auf eine Ungerechtigkeit hin oder zeige, dass ein hoher Wert verletzt wurde und man für sich einstehen sollte. Grund genug, sich auf negative Gefühle einzulassen - und eigentlich können wir auch gar nicht anders. «Unser Gehirn sucht ständig nach etwas, das nicht okay oder sogar gefährlich ist. Das hat den Menschen früher ihr Überleben gesichert.»

Heute brauchen wir diesen Schutz nicht mehr - eigentlich. Doch zum einen sind negative Emotionen auch heute noch nützlich: Sie geben wichtige Hinweise darauf, dass es gerade um etwas Wichtiges geht - wir ärgern uns etwa über unseren Partner, weil wir ein großes Interesse haben, dass unsere Beziehung funktioniert. Daher sollten wir einem schlechten Gefühl auch Aufmerksamkeit widmen. Bloß nicht zu viel, und zwar wegen der sogenannten Negativitätsverzerrung: Wir nehmen negative Emotionen nämlich viel stärker wahr, wie Salchow erklärt. Das bedeutet: «Damit wir im emotionalen Gleichgewicht sind, brauchen wir ein Verhältnis von drei zu eins: Drei positive Emotionen wiegen eine negative Emotion auf», sagt Salchow.

Kein Maßstab: soziale Medien

Das stellt sich auf Instagram und Co. ganz anders dar: Glückliche Menschen, tolle Erlebnisse, perfekte Wohnungen - in den sozialen Netzwerken zeigen die meisten nur das Beste von sich. Aber es handelt sich eben um Ausschnitte, das vergessen wir manchmal allerdings zu gerne. «Soziale Medien funktionieren bei Phänomenen wie der Toxic Positivity wie ein Verstärker», sagt Astrid Schütz. Sie sorgen dafür, dass sich Floskeln wie #goodvibesonly weiter und schneller verbreiten.

Achtsamkeit kann eine gute Balance schaffen

Umso wichtiger ist es, offline für eine gute Balance aus negativen und positiven Gefühlen zu sorgen. Aber wie kann das gelingen? Auch wenn der Begriff etwas abgedroschen klingt: Achtsamkeit ist hilfreich, um alle Gefühle zulassen zu können. «Im Moment sein, wahrnehmen: Wie ist es gerade?», erklärt Professorin Schütz, die auch Tests und Trainings zu emotionaler Intelligenz entwickelt. «Die Gefühle annehmen, auch die negativen, aber nicht grübeln, nicht in schlechten Momenten verharren. Und immer wieder auch auf positive Momente hinarbeiten.» In diesem Sinne: #allfeelingsarewelcome - alle Gefühle sind willkommen.

© dpa ⁄ Elena Zelle, dpa
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